Friday, November 03, 2006

Dia de Muertos oder: Die Sache mit dem Totenkult

Wahrscheinlich befinden wir uns an den zwei Extremen einer Skala. In Deutschland haben wir eine Minimalauseinandersetzung mit dem Tod, vermeiden, darüber zu reden, besuchen den Friedhof auch nur in Ausnahmefällen, und fühlen uns peinlich berührt, wenn allzu offen mit dem Thema umgegangen wird. Darüber könnten die Mexikaner wahrscheinlich nur den Kopf schütteln.

Der zweite November ist hier Dia de Muertos, müsste eigentlich zumindest dem Datum nach Allerseelen entsprechen. Allerheiligen gibt es auch am 1.11. aber der 2.11. ist auf jeden Fall der größere Feiertag, hier hatten wir sogar frei.

Schon die Woche zuvor war ich irritiert an den kleinen bunten Altären vorbeigegangen, die entlang eines Weges auf dem Unigelände für verstorbene Freunde und Familienangehörige errichtet worden waren. Auch die Stände, die kleine, bunte Totenschädel, blinkende Skelette, und andere Dekoware anboten, hatten mich eher erstaunt. Wirklich befremdlich fand ich einige Studenten, die als Skelette, Gevatter Tod und Trauergäste verkleidet eine Prozession quer über den Campus veranstalteten, eine Person in weiß gehüllt über ihren Schultern tragend.

Auf dem Panteón de Belen, einem Friedhof, findet den gesamten November das Festival de Muertos statt. Da werden nachts im Open Air Kino Horrorfilme gezeigt, es gibt regelmäßige Führungen über den Friedhof, Musikveranstaltungen und Theaterdarbietungen. Damit wir wenigstens etwas von diesem Tag mitbekämen (die anderen Austauschstudenten sind nach Morelia in einen anderen Bundesstaat gefahren, aber Miriam und ich hatten entschieden, dass uns ein Wochenende in Guadalajara auch mal wieder ganz gut tun würde...), beschlossen wir, uns eines der Theaterstücke anzusehen. Die Vorstellung begann um 23.30 Uhr und ging bis nach eins. Das Ambiente war schon sehenswert, in der Mitte des Friedhofes befindet sich ein kleiner Tempel um den herum eine Bühne aufgebaut war. Davor wurden Stühle und eine Tribüne aufgestellt. Und so saß man zwischen Grabsteinen unter einem fast vollen Mond und rechnete jeden Augenblick mit Dracula der, der Legende nach, aus dem Tempel (vielleicht war es auch eher eine Gruft) aufsteigen würde, sollte einer der Bäume auf der linken (!) Seite zu Fall kommen.
Von dem Theaterstück verstanden wir nicht so viel, es baute sehr auf Wortwitze (tal iban > Taliban) und Anspielungen (für Eingeweihte sage ich nur Trés-Ochenta....) und war einfach insgesamt sehr mexikanisch. Dadurch natürlich auch sehr bunt und lebhaft und es war schon recht unterhaltsam. Nur so gegen eins wurde uns dann doch so langsam kalt (tagsüber freuen wir uns hier über 30° und Sonne, aber nachts wird es schon ein wenig kühler).


Donnerstag sind wir dann auf einen anderen Friedhof und haben dort Familien beim Picknick zugesehen, die extra die Dinge kochen, die die Verstorbenen gerne gemocht haben, und sich ganz ungezwungen mit ihnen unterhielten. Auch wenn es uns teilweise schon etwas widerstrebte, da wir nun mal so locker und fröhlich mit dem Tod nicht umgehen, es ist für uns doch eher eine ernste Angelegenheit, der man gebührenden Respekt zollen sollte, so war es doch eine recht interessante Erfahrung.


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