Vielleicht habe ich so lange gebraucht, die richtigen Worte zu finden um die vergangene Woche zu beschreiben, weil das, was die Woche so besonders gemacht hat, nicht einfach nur die Orte waren, die wir besucht haben, die Geschichten, die wir erlebt haben, die Dinge, die wir gesehen haben. Es war vielmehr die Stimmung im Auto, die Atmosphäre am Strand, das Gefühl auf dem Boot. All dies zu beschreiben erschien mir ziemlich aussichtslos. Da ich es Euch und uns aber schuldig bin, wage ich dennoch einen Versuch.
Es ist darüber hinaus um so viel einfacher, witzig über Dinge zu berichten, die nicht witzig waren, als authentisch den Humor rüberzubringen, über den wir eine Woche lang gelacht haben. Insider erzählen ist immer langweilig.
In Tijuana anzukommen war eigentlich schon ein Abenteuer für sich. Miriam und ich hatten gebührenden Respekt vor dieser Stadt und so klammerten wir uns an unsere Handtaschen nachdem wir unsere Dokumente und Kreditkarten an sicheren Orten verstaut hatten und machten uns auf die gefahrenvolle Reise zur Bushaltestelle direkt vor dem Flughafen. Jeden Augenblick erwarteten wir, angegriffen zu werden, hinter jedem neugierigen Blick vermuteten wir potenzielle Schwerverbrecher. Die größte Aggression uns gegenüber ging jedoch von den Taxifahrern aus, die vor dem Flughafen auf unschuldige und hilflose Touristen warteten und sich auf sie stürzten wie Geier in der Wüste. Fest behaupteten, es gebe weit und breit keine Busse und 200 Pesos zum Busterminal sei ein völlig gerechtfertigter und angemessener Preis. Dieser fiel schlagartig auf 80 Pesos, wenn sie herausfanden, dass wir keine Amerikaner waren und zudem auch noch Spanisch sprachen. Wir waren dann ziemlich überrascht, dass wir ohne Zwischenfall unseren Weg zum Busbahnhof schafften (natürlich mit Bus – für 12 Pesos), und als nach einigen Stunden des bangen Wartens endlich auch Steffi zu uns stieß waren wir dann doch sehr erleichtert die erste große Herausforderung gemeistert zu haben. Wir verließen Tijuana geradezu fluchtartig.
Was uns jedoch in Playas de Rosaritos erwartete war kein Stück besser. Keine Ahnung welche Mexikaner uns im Vorfeld geraten hatten, dass wir unbedingt dorthin müssten. Wir stiegen direkt an der Hauptkreuzung aus, und wurden direkt von zig Mexikanern belagert, die versuchten, uns in eine der unzähligen Bars zu zerren – ungeachtet unserer Reiserucksäcke und völlig unbeeindruckt von der Tatsache, dass wir unser bestes gaben, sie zu ignorieren. Wir fanden dann zum Glück doch ein ganz annehmbares Motel und aßen in einem netten Lokal und gingen im Anschluss tatsächlich in eine der Bars, die zu unserer großen Überraschung menschenleer war. Insgesamt hat Playas de Rosaritos bei mir einen sehr trostlosen Eindruck hinterlassen. Miriam bezeichnete die Stimmung sogar als „verzweifelt“, was nicht ganz unpassend ist. Zu sehen, mit welcher Aggressivität sich die Mexikaner bei den Amerikanern anbiedern, mit einer Mischung aus Verachtung und Abhängigkeit zugleich wirkte in der Tat verzweifelt. Ich konnte Steffi gegenüber nicht oft genug beteuern, dass dies nicht Mexiko sei – zumindest nicht das Mexiko, das ich kennengelernt habe. Denn natürlich ist auch das eine Seite von Mexiko.
Den nächsten Tag verbrachten wir am Strand und mit einem unendlichen (er sollte praktisch die ganze Woche nicht wirklich enden) Entscheidungsprozess, was wir denn als nächstes machen wollen. Ich spar Euch den Teil mal, weil er zu dem einzigen echt unerfreulichen diese Woche zählt und gehe gleich zum Ergebnis über: Wir fuhren nach San Diego um uns dort mit vier Jungs zu treffen, Freunde von Steffi aus San Francisco (drei Tübinger, ein Franzose). Sie hatten sich für die nächste Woche ein Auto gemietet und wollten auch Baja California runterreisen. Da das Auto groß genug war, beschlossen wir also, gemeinsam zu reisen.
Die Grenze zu überqueren war nicht ganz einfach. Doch nach einem dezenten Bestechungsversuch (wir hatten unsere Kreditkarten in unseren Reisepässen vergessen), war auch der Grenzbeamte ganz freundlich und verkaufte uns ein Visum für 6 Dollar. Der Abend in San Diego war sehr nett, auch wenn Miriam und ich ziemlich geschockt waren, dass die Party um halb zwei vorbei sein sollte (ja, und, wo geht jetzt die After-Party – Welche Afterparty? – Ja es muss doch eine geben! – Nein, wir gehen jetzt ins Bett! – Ins BETT???... Aber auch eine halbstündige Diskussion mit dem DJ brachte keine neuen Resultate. California Law, Thanx Arnie).
Und dann ging es endlich los. Weit kamen wir allerdings nicht. In Ensenada machten wir eine ausgiebige Mittagspause, und als wir gegen vier weiterfuhren, senkte sich bereits die Dämmerung. Dass dies ein Problem sein könnte, war uns nicht ganz klar gewesen. Wir hatten eigentlich vorgehabt, an dem Abend noch gut 500 km zu fahren. Ein Blick in unseren Reiseführer belehrte uns dann aber eines besseren: Rule #1: Don’T take the road for granted. JA gut. Das war uns inzwischen auch schon aufgefallen: Eng, kurvig, übersät mit Schlaglöchern und ständig kamen einem Trucks mit überhöhter Geschwindigkeit entgegen. Rule #2: Never drive at night. Zu dumm, dass Ende November die Nacht schon gegen 5 beginnt. Wir waren also gerade ca. eine Stunde südlich von Ensenada, es gab weit und breit nur Einsamkeit und es wurde langsam aber sehr sicher dunkel. Und wir hatten 15 Minuten für 500 Kilometer. Da kamen wir an einem Schild vorbei: Hostel, am Meer (wo bitte soll denn hier das Meer sein???), nur 12 Meilen. Wir hatten keine Wahl, also nahmen wir die Abzweigung die uns in noch tiefere Einsamkeit führte. Ok, wir hatten echt Schiss. Wir Mädels haben da auch keinen großen Hehl draus gemacht, und während die Jungs noch ihre Unsicherheit mit vielen mehr oder minder lustigen Sprüchen zu überspielen versuchten, zählten wir lieber die Holzkreuze am Wegesrand. Die Straße wurde immer schlechter, und war irgendwann ein unbefestigter Feldweg. Als wir fast nicht mehr dran glaubten, erreichten wir dann aber doch das Hostel, eine kleine Surfer-Enklave in der wir so ziemlich die einzigen Gäste waren. Aber es gab ne Tischtennisplatte und einen Aufenthaltsraum und außerdem eine Dachterrasse und so verbrachten wir den Abend mit unzähligen Trinkspielen und feierten in der Einsamkeit in Miriams Geburtstag rein. Collateralschaden waren eine Flasche Öl. Das Video gibt’s demnächst bei YouTube...
Am nächsten Morgen brachen wir um halb sieben auf, wir hatten aus unserem Fehler gelernt. Der nächste Strich durch die Rechnung wurde uns vom Revolutionsfeiertag gemacht. Jedes Dorf hatte irgendwelche Paraden mit denen sie die Hauptstraße blockierten. Nun war nur leider die Hauptstraße die einzige Straße. Also mussten wir wieder über Feldwege und durch Straßengräben, doch inzwischen hatten wir eine gewisse Routine und fanden es eigentlich auch ganz unterhaltsam, die Paraden aus der Ferne zu beobachten. Gegen Mittag erreichten wir Rosarito, das nicht weiter erwähnenswert wäre, außer, dass es die letzte Pemex vor der Wüste hatte. Hier aßen wir noch schnell zu Mittag um dann 400 km Wüste in Angriff zu nehmen. Die war schon beeindruckend. Riesenkakteen, Felsblöcke und Nichts soweit das Auge reicht. Wir waren sehr glücklich, dass wir das bei Tag zu sehen bekamen, denn es war ziemlich beeindruckend und die Landschaft war abwechslungsreich und spannend.
Bei Dämmerung erreichten wir dann Bahía de Los Angeles, ein Fischerdorf auf der Golfseite von Baja California. Was auch immer wir erwartetet hatten: So klein und so einsam hatten wir es uns nicht vorgestellt. Es dauerte auch bis zum nächsten Morgen, bis wir entdeckten, dass wir im Paradies gelandet waren. Zunächst suchten wir ein Hotel und ein Restaurant. Wir aßen leckeres, frisches Meeresgetier und danach wollten wir uns noch gemütlich an den Strand setzen. Um Punkt zehn wurde es allerdings finster um uns rum. Wir hatten davon in unserem Reiseführer gelesen, aber in den hatten wir sowieso kein besonders hohes Vertrauen (Tijuana: Multikulturelles, lebendiges Juwel... Ja sicher....) und so waren wir davon ausgegangen, dass dies eine veraltete Information sei. War es nicht. Bahía de Los Angeles liegt so einsam, dass es nur einen Stromgenerator hat (extra für die paar Touristen im Jahr), keinen Handyempfang und auch erst seit zwei Jahren eine Telefonleitung. Und so wird halt um 10 der Strom abgestellt. Das war uns dann doch etwas unheimlich und so gingen wir dann ziemlich früh in Bett.
Den nächsten Tag verbrachten wir mit Faulenzen (und lernten, dass hier der Strandtag um 3 Uhr bereits zuende ist, da dann die Sonne hinter einem Berg verschwindet und den Strand in Schatten taucht).
Den Tag drauf buchten wir uns ein kleines Motorboot inklusive Fischer. Dieser Tag wird mir sicher noch lange in Erinnerung bleiben. Wir fuhren bei Sonnenaufgang (halb 6) los, um im Morgengrauen unsere Angeln auszuwerfen. Um 8 Uhr hatten wir dann bereits einige Kilo Fisch gefangen. Dann fuhren wir mit dem Boot durch die vielen kleinen Inseln vor der Küste und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Pelikane, Robben, und – wir konnten unser Glück kaum fassen – Wale. Sie schwammen neben unserem Boot her, drunter durch (wir konnten uns nicht ganz entscheiden, ob wir Angst haben sollen oder einfach nur begeistert waren) tauchten immer wieder auf, es war echt unglaublich.
Abends wurden wir von einer Familie eingeladen, Mexikaner, die seit 20 Jahren in den USA lebten, mit zwei Kindern. Sie hatten uns angeboten, ihren Herd zu benutzen, damit wir unseren selbstgeangelten Fisch zubereiten konnten. Unser Fisch schmeckte wider Erwarten (er war nämlich echt hässlich) köstlich, und unser Fischer hatte ihn uns schon fertig filetiert. Die Familie war total nett und herzlich, half uns bei der Zubereitung und wir verbrachten einen sehr unterhaltsamen Abend mit ihnen (beim Gruppenfoto am Ende brach leider die Liege zusammen – wir hatten wohl zu viel gegesssen...).
Am nächsten morgen machten wir uns auf den Rückweg und schafften es immerhin bis Ensenada. Dort suchten wir uns ein Hotel, was sich aufgrund der Thanksgiving-Ferien recht schwierig gestaltete. Wir bekamen dann aber doch noch ein Zimmer, in das wir uns dann zu siebt quetschten. Die Party dieses Abends wird wohl legendär (zumindest Miriam und ich reden jetzt von „Ensenada-Party“ wenn wir über richtig gute, etwas ausartende aber auf jeden Fall sehr lustige Feiern sprechen).
Wir verbrachten den Freitag dann auch noch in Ensenada, durchforsteten die Touriläden nach halbwegs geschmackvollen Andenken und Mitbringseln, nahmen noch schnell eine ziemlich unspektakuläre Sehenswürdigkeit mit (so ein Loch in den Klippen aus dem Wasser geschossen kam, wenn eine Welle hereinbrach... na ja...umso beeindruckender war der Kreuzweg der dorthin führte: Ich habe noch nie so viele Touristenstände auf einem Haufenn gesehen) und fuhren dann abends nach San Diego weiter. An der Grenzen wurden wir natürlich rausgeziogen (was erwartet man, bei sieben Studenten....) und mussten unsere 5 Äpfel abgeben. Gegen unsere 48 Dosen Pacifico-Bier, 2 Flaschen Bacardi und eine Flasche Tequila hingegen hatten sie nichts einzuwenden.
Wir zogen also wieder in altbewährtes Hostel (fast wie nach hause kommen). Den Samstag verbrachten wir Mädels dann mit einer ausgedehnten Shopping-Tour (Danke an das Rekordtief des Dollarkurses.... So kann man sich das Vermögen, dass ich ausgegeben habe fast ein bisschen schön rechnen). Abends wurde noch mal ausgiebig bis halb zwei gefeiert (daran könnte ich mich nicht gewöhnen, glaube ich...), und am nächsten Morgen verabschiedeten Miriam und ich uns schließlich um zurück nach Tijuana zu fahren.
Es tut mir leid, es war mir nicht möglich, mich irgendwie kürzer zu fassen. Es war einfach eine so schöne und ereignisreiche Woche, dass ich unbedingt alles aufschreiben wollte. Was ich natürlich nicht getan habe, denn sonst säße ich morgen noch hier.... Die Fotos zur Illustrierung lade ich bei Gelegenheit hoch, aber das dauert mir jetzt zu lange.